ORANIENBURG "Darum haben wir uns hier jegründet, um irgendwatt zu
ändern." Wenn Lothar Zache (56) einmal in Fahrt
ist, muss selbst der Kanzler sich warm anziehen: "Watt fällt denn den
Schröder ein, jetze wieder mit die Sparbücher - weil
se nich wirtschaften könn...!"
Es ist ein verhangener Nachmittag im "Bistrocafé
Hofmeister" in Borgsdorf bei Oranienburg (Oberhavel). Draußen nicken die Blütenbäumchen an den
Kastanien, drinnen räumen sie die Konditorei-Auslagen leer, und im Hinterzimmer
tagt die "Deutsche Volks- und Rentenpartei" (DVRP).
Es ist eine
Geschichte aus diesen Tagen der Verdrossenheit, der politischen Hiobsbotschaften
und des Un-Muts. Sie haben tatsächlich keine Chance und nutzen sie, die
wackeren Parteigründer der DVRP. Das ist das Positive an dieser Geschichte,
dass es noch welche gibt, die sagen, es muss was geschehen und die damit nicht
die anderen meinen.
Dr. Udo Klussmann (60) zum Beispiel ist Vorsitzender des
Landesverbands Berlin und hat am 1. Mai auf einem Potsdamer Trödelmarkt
gestanden und Handzettel verteilt. "Aber die Leute interessierten sich gar
nicht dafür." Vize-Schatzmeister Zache hat da
andere Erfahrungen gemacht und am Brandenburger Tor in Berlin gut 400
Flugblätter unter die Leute gebracht. Und der "Bundesvorsitzende" und
Sitzungsleiter Norbert Meier (54) hat gar zwölf neue Mitglieder auf dem
Bauernmarkt in Schmachtenhagen geworben, resümiert er
Tagesordnungspunkt (Top) 2 "Erfahrungen des 1. Mai".
Am 26. März
hat sich die DVRP in Glienicke gegründet. Knapp einhundert Mitglieder hat sie
angeblich und inzwischen auch schon um Registrierung beim Bundeswahlleiter
nachgesucht. An diesem Nachmittag sind ganze neun Mitglieder ins Bistrocafé
gekommen und ein Baby, aber das zählt nicht. Zu wenig jedenfalls, um den
Landesverband Brandenburg zu gründen. Meier ist ein wenig enttäuscht und sagt
das auch in die Kamera von "Oberhavel TV",
das beim Start der neuen Bewegung dabei sein darf.
Top 3 ist
die Vorbereitung auf die große Demonstration der Sozialverbände am 15. Mai in
Berlin, wo die DVRP mit einem Stand auf der Straße des 17. Juni dabei sein
will. "Wir mischen uns ein", steht auf den Handzetteln, gegen Arbeitslosigkeit
und Sozialabbau, für mehr innere Sicherheit und Bildung, mehr für Familien tun
und gegen die Abzocke beim Benzin. "Politiker denken weder an die
Bevölkerung noch an die Familien", lautet ein anderer Slogan, wobei offenbleibt, warum Familien nicht zur Bevölkerung gehören.
"Wir haben noch kein schlüssiges Programm", sagt Dr. Udo Klussmann, "weil wir noch zu wenig Experten als
Mitglieder haben, die das ausarbeiten können." "Genau", wirft Zache ein, auch Rechtsanwälte und Ärzte brauche man. Empörung
als Programm - besser als gar nichts.
Immerhin
ein Stufen-Steuersystem haben sie sich schon gezimmert, mit 12 000 Euro
steuerfreiem Existenzminimum und 12, 25, 35 und 40 Prozent Steuersätzen.
"Und ab eine Million kann man auch fünfzig Prozent machen", fällt Zache spontan ein. Manche nicken, das Baby hustet. Mit
Arbeitslosen-Initiativen in Pritzwalk, Schwerin und Stuttgart haben sie schon
Kontakt und wollen 2006 fit sein für die Teilnahme an Wahlen. Parteichef Meier
schwitzt. "Ich kann das nicht", sagt er leise mit scheuem Blick auf
die Fernsehleute. "Wenn die Kamera da ist, kann ich einfach nicht..."